Wenn die Gemüter hochkochen: Umgang mit schwierigen Situationen auf dem Fußballplatz
Kreis Steinfurt. Im Fußball kann es mitunter hitzig zugehen. In den vergangenen Jahren verstärkt sich der Eindruck, dass es selbst im Profibereich vermehrt zu Diskussionen mit dem Unparteiischen kommt. „Das war früher in allen Spielklassen deutlich entspannter“, empfindet Kreisschiedsrichterobmann Jürgen Lütkehaus. Seit Jahren preist der Wettringer den Fußballkreis Steinfurt als eine der letzten „grünen Oasen“ in Deutschland an, wo Gewalt und Diskriminierung äußerst selten vorkommen. Wenn er und seine Kollegen beispielsweise in Ruhrgebiet blicken, merken sie: Das ist alles andere als selbstverständlich. Um präventiv gegen die Entwicklungen im Amateurfußball vorzugehen, nahm Lütkehaus zusammen mit sechs weiteren Schiris aus dem Kreis Steinfurt an einem eintägigen Deeskalationstraining in der Sportschule in Kamen-Kaiserau teil.
Durch das Programm führten mit Reinhard Zumdick und Ulrich Rentsch zwei Referenten, für die das Thema Deeskalation ihr tägliches Brot ist. Zumdick ist Kriminalkommissar und arbeitet in der Prävention und im Opferschutz. Ulrich Rentsch war ebenfalls bei der Polizei und ist auch nach seiner Pensionierung als Deeskalationstrainer an Schulen tätig. „Euer Blick allein kann beim Gegenüber schon die Sicherung durchbrennen lassen“, sagt Rentsch während einer Übung zu den Teilnehmenden. Es geht um den sicheren Stand, defensive, aber auch konsequente Körpersprache und eine entspannte Mimik. Schnell wird während der sogenannten Lagetrainings, die man auch als Rollenspiele übersetzen kann, deutlich: „Distanz zu den Spielern wahren ist enorm wichtig. Zum einen ist das ein Zeichen von Respekt, zum anderen schütze ich mich selbst vor Übergriffen.“
Reinhard Zumdick ist im Kreis Münster selbst Schiedsrichter und konnte daher viele schiedsrichterspezifische Nachfragen einordnen. „Denkt dran, dass ihr mit den Spielern redet und nicht über sie hinweg“, plädiert er für eine klare Kommunikation auf Augenhöhe. Mit Spielern reden, das heißt präzise zu formulieren, warum man so entschieden hat und gleichzeitig auf die Spieler einzugehen. Das ist nicht immer einfach, weiß auch Zumdick. „Die Kunst ist es, dass man eindeutig formuliert und Grenzen aufzeigt. Floskeln, zweideutige Formulierungen oder gar schroffe Bemerkungen beschwichtigen die Situation nicht.“ Schiris sollten sich regelmäßig bewusst machen, wie sie in ihrer Spielleitung auf Spieler und Trainer wirken. Durch die Reflexion könne man seine individuellen Baustellen identifizieren und gewünschte Verhaltens- und Kommunikationsweisen trainieren, so die beiden Referenten.
Bei den praktischen Übungen durften die anwesenden Schiris zeigen, wie sie mit Konflikten auf dem Spielfeld umgehen. Im Anschluss wurden die Übungen zusammen reflektiert. Was tue ich als Schiri bei einer Rudelbildung? Wie gehe ich mit einem aggressiven Spieler um? Wie kann ich bereits im Vorfeld präventiv agieren, damit es im Spiel ruhig bleibt? Reinhard Zumdick gab hier die Wichtigkeit der Spielvorbereitung an. „Macht euch im Vorfeld klar: Was für ein Spiel ist das? Was kann passieren? Wie möchte ich in schwierigen Situationen reagieren?“ Durch das Zurechtlegen eines Match-Plans könne man als Schiri für sich selbst eine Menge Sicherheit schaffen – und das zahlt sich auf dem Platz aus. Dort helfe zudem, so Ulrich Rentsch, das Bauchgefühl als wichtiger Ratgeber. „Schafft eine gute Verbindung zu eurem Bauch. Er gibt euch Hinweise, was ihr tun oder lassen solltet.“ In seiner langjährigen Dienstzeit als Polizist habe sich dies für ihn mehrfach bezahlt gemacht, fügte der 70-jährige mit ein paar persönlichen Anekdoten an.
Am Ende des Seminars stand für die Steinfurter Schiris fest: Dieses Training hatte sich gelohnt! „Ich konnte für mich und meine Spielleitung wertvolle Tipps mitnehmen, die mich in Zukunft weiterbringen werden“, sagte Lukas Buschkotte, der für Matellia Metelen pfeift. Jürgen Lütkehaus sah sich indes darin bestätigt, dass man die Schiedsrichter im Kreis Steinfurt seit Jahren sehr gut ausbilde. Einige Dinge, die Zumdick und Rentsch herausstellten, werden so auch im Kreis gelehrt. „Trotzdem haben wir heute viel dazugelernt. Das werden wir jetzt in die Praxis einbringen und schauen, wie wir dieses Wissen in unserem Kreis verbreiten können.“